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Änderungsantrag: Neubaugebiet Bingenheim

zu Punkt 4 der Tagesordnung der Gemeindevertretersitzung vom 25.04.2022 stellt die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen folgenden Änderungsantrag:

Beschlussvorschlag:

Die Gemeindevertretung beschließt, das Neubaugebiet in Echzell-Bingenheim „Südlich Welschbachweg“ gemäß dem städtebaulichen Vertrag mit der INIKOM zu entwickeln. Gemäß § 2 Ziff. 3 des städtebaulichen Vertrages vom 27.06.2018 (UR 677/2018) wird die INIKOM beauftragt, mit dem Grunderwerb, der im Geltungsbereich des Neubaugebietes „Echzell-Bingenheim“ liegenden Grundstücke zu beginnen. Aufgrund der in den letzten Jahren stetig gestiegenen Preise, wird der Erwerbspreis von 35,00 €/qm auf maximal 45 €/qm Rohbauland erhöht.


Die Planungen für das zu entwickelnde Baugebiet „Südlich Welschbachweg“ sind auf das Erreichen einer Dichte von ca. 30 Wohneinheiten pro Hektar Wohnbauland auszurichten. Die Planungen für das neue Baugebiet sind von Anfang an an den Zielen der Klimaneutralität und der Ressourcenschonung zu orientieren. Hierzu sollen mindestens die folgenden Aspekte Berücksichtigung finden:

  • verpflichtende Nutzung von Photovoltaik-Anlagen

  • Nutzung nicht-fossiler Energieträger zur Wärmegewinnung

  • Festlegung eines angemessenen baulichen Dämmstandards

  • Errichtung von Regenwassernutzungsanlagen

Begründung:

„Das eigene Haus ist für viele Familien immer noch ein großer Traum. […] Aber es ist ökonomisch und ökologisch unsinnig, wenn jede Generation neue Einfamilienhäuser baut und anfangs auf 150 Quadratmetern zu fünft lebt, aber dann ziehen die Kinder aus und das Haus schrumpft in dem Moment nicht. Seit den 1950er Jahren wurden hier Hunderttausende Einfamilienhäuser gebaut. In denen leben meist keine Familien mehr, sondern ein oder zwei Senioren.“ (Klara Geywitz, SPD, Bundesbauminsiterin im Interview mit der taz vom 15.4.22)

Es ist unbestritten, dass in Echzell derzeit eine hohe Nachfrage nach Wohnraum besteht und ein neues Baugebiet hier teilweise für Abhilfe sorgen kann. Es ist aber auch unbestritten, dass die Erschließung neuer Baugebiete immer mit negativen ökologischen Folgen verbunden ist. Insbesondere die zunehmende Versiegelung von Flächen als meist irreperable Entscheidug ist hier zu nennen. Gerade führen uns die Folgen des Ukrainekrieges vor Augen, wie wichtig und wertvoll unsere landwirtschaftlichen Nutzflächen sind.


Wenn wir uns dennoch entscheiden, ein neues Baugebiet zu erschließen, muss dies möglichst ressourceneffizient und nachhaltig geschehen. Das schließt leider aus, dass dies in Form einer reinen Einfamilienhausbebauung geschehen kann. Die ökologischen Nachteile von Einfamilienhäusern sind bekannt: sie verbrauchen viel Fläche, sie sind ressourcenintensiv in der Errichtung und vergleichsweise energieintensiv zu beheizen. Doch Klara Geywitz hat noch auf einen anderen, sehr wichtigen Aspekt hingewiesen, der insbesondere auch für Echzell gilt. Seit den 50er-Jahren wurden sehr viele Einfamilienhäuser gebaut. Die allermeisten der Echzeller Wohngebiete bestehen fast ausschließlich aus Einfamilienhäusern. Für die Zukunft brauchen wir daneben auch andere Wohnangebote.


Es geht dabei nicht nur um die von Geywitz angesprochenen Seniorinnen u. Senioren, die nach dem Asuzug ihrer Kinder eine Zielgruppe für andere Wohnformen sind. Es geht gerade auch um die Menschen mit mittleren und geringeren Einkommen. Wer kann sich heute noch den Bau eines Einfamilienhauses leisten? Laut Postbank Wohnatlas hat der Kauf eines Eigenheims mit 140qm Wohnfläche im Wetteraukreis 2021 durchschnittlich bereits 512.000 € gekostet. Bezogen auf ein durchschnittliches Nettoeinkommen entpsricht das ca. 20 vollständigen Jahresgehältern. Menschen mit unterdurchschnittlichem Gehalt, Alleinerziehende oder auch Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen haben kaum eine Chance, sich jemals den Kauf eines Einfamilienhauses zu leisten. Die Entscheidung dafür, bei der Entwicklung von Wohnraum nicht nur auf das Einfamilienhaus zu setzen, ist deshalb auch und gerade eine soziale Entscheidung!


Die in unserem Änderungsantrag formulierte Zielgröße von 30 Wohneinheiten pro Hektar Bruttobauland ist dabei nicht zufällig gewählt. Zunächst orientiert sie sich an den Festlegungen des Regionalplan Südhessen, beschlossen am 17. Dezember 2010 von der Regionalversammlung Südhessen. Dieser sieht für den sogenannten „ländlichen Siedlungstyp“ eine Baudichte von 25 bis 40 Wohneinheiten je ha vor und ist im Regelfall verbindlich. Mit der Festlegung von 30 Wohneinmheiten pro Hektar bewegen wir uns hier also sogar noch im unteren Spektrum des möglichen Bereichs.


Was heißt das nun für die konkrete Form der Bebauung? Zum Vergleich: reine Einfamileinhaussiedlungen liegen meist bei ca. 15 Wohneinheiten pro Hektar, reine Doppelhaussiedlungen erreichen etwa 30, Reihenhaussiedlungen etwa 40 Wohneinheiten pro Hektar. Eine Zielgröße von 30 Wohneinheiten pro Hektar lässt es also durchaus zu, auch einige Einfamilienhäuser zu realisieren, wenn dafür an anderer Stelle eine etwas dichtere Bebauung stattfindet. Der vorliegende Antrag gibt also eine Richtung für die Entwicklung des Baugebietes vor, lässt aber große planerische Handlungsspielräume offen.


Die übrigen in unserem Antrag formulierten ökologischen Zielsetzungen sind hoffentlich unumstrittener. Gerade die Nutzung nicht-fossiler Energieträger zu Heizzwecken sowie die Festelgung eines angemessenen Dämmstandards wird bis zur tatsächlichen Erschließung des Baugebietes hoffentlich bereits per Bundesgesetz geregelt sein. Sollte dies nicht der Fall sein, müssen wir als Kommune die uns zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um nicht eines der letzten Baugebiete zu realisieren, die nicht den Ansprüchen an ein klimaneutrales Baugebiet entsprechen. Machen Sie sich hier bitte bewusst: das Ziel der Klimaneutralität soll – und muss – bis zum Jahr 2045 erreicht werden. Häuser die heute gebaut werden, sind dann gerade einmal 23 Jahre alt. Wer also 2045 klimaneutral sein möchte, muss heute bereits klimaneutral bauen.

Zum Abschluss noch ein paar Worte zur Regenwassernutzung: Vor kurzem hat die NASA in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Luft- unnd Raumfahrt und einem kanadischen Forschungsinstitut Sattelitendaten ausgewertet. Demnach hat Deutschland in den letzten 20 Jahren – vor allem durch ein Absinken des Grundwasserspiegels – Wasser im Umfang des Bodensees verloren. Demnach zählt Deutschland mit einem Wasserverlust von 20 Kubikkilometern pro Jahr zu den Regionen mit dem höchsten Wasserverlust weltweit. Die Installation von Regenwassernutzungsanlagen hilft uns nicht nur beim Wasser sparen, sondern bietet auch einen verbesserten Schutz vor Starkniederschlagsereignissen. Sie ist vor dem Hintergrund der genannten Daten dringend geboten.


Der komplette Antrag:




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